Was Forschende über Lithium als möglichen Baustein für gesundes Altern wissen


Lithium, bekannt als Medikament gegen bipolare Störungen, rückt nun als möglicher Schutzfaktor gegen Alzheimer ins Rampenlicht. Longevity-Experte Nils Behrens beleuchtet die faszinierenden Ansätze der Forschung, die zeigen, dass Mikrodosen dieses Spurenelements möglicherweise das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen senken könnten.
Lithium ist den meisten Menschen als Medikament gegen bipolare Störungen bekannt. In hohen Dosen reguliert es Stimmungsschwankungen, allerdings mit teils starken Nebenwirkungen. Nun rückt das Spurenelement in einer ganz anderen Rolle ins Rampenlicht: als möglicher Schutzfaktor gegen Alzheimer. Und hier geht es nicht um pharmazeutische Hochdosen, sondern um Mikrogramm-Mengen, die in Mineralwasser oder Nahrungsmitteln vorkommen können.
Für die Longevity-Forschung ist dieser Ansatz faszinierend, weil er zeigt, dass manchmal kleinste Substanzen im Körper große Wirkung entfalten können – und vielleicht Schlüsselrollen beim gesunden Altern spielen.
Nils Behrens ist Chief Brand Officer bei Sunday Natural, Host des Podcasts "Healthwise" und Dozent an der Hochschule Fresenius. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Epidemiologische Beobachtungen liefern den ersten Hinweis: Regionen mit höherem Lithiumgehalt im Trinkwasser weisen eine geringere Alzheimer-Häufigkeit auf. Kleinere klinische Studien konnten diesen Zusammenhang stützen. So deuten Daten darauf hin, dass Mikrodosen Lithium die Bildung von Beta-Amyloid – jenem Protein, das als toxisches Kennzeichen von Alzheimer gilt – hemmen können.
Auch die Stabilisierung von Nervenzellen steht im Raum. Lithium beeinflusst Signalwege, die für Zellschutz und Reparatur wichtig sind. Theorien besagen, dass dadurch Entzündungsprozesse abgemildert und neuronale Netzwerke gestärkt werden.
Das große Aber: Lithium ist in hoher Dosierung giftig. Schon geringe Abweichungen über therapeutische Werte hinaus können Nieren oder Schilddrüse belasten. Deshalb ist klar: Hier geht es nicht um Eigenexperimente, sondern um fundierte Forschung und sorgfältig kontrollierte Studien. Genau an diesem Punkt betont auch Longevity-Experte Peter Attia die Vorsicht – er sieht in Lithium zwar einen spannenden Baustein, warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen.
Die entscheidende Frage lautet: Reicht die sehr niedrige Dosis, die natürlicherweise in Spurenelementpräparaten oder bestimmten Mineralwässern vorkommt, um tatsächlich klinisch relevante Effekte zu erzielen?
Selbst wenn Lithium in Zukunft als Alzheimer-Prävention zugelassen wird – es wäre nur ein Teil eines Puzzles. Denn die Forschung zeigt immer wieder, dass Langlebigkeit nie durch ein einzelnes Molekül gesichert wird. Bewegung, Ernährung, Schlaf und kognitive Stimulation bleiben die tragenden Säulen.
Lithium könnte aber ein weiterer Pfeiler sein, der dieses Fundament stärkt. Denkbar wäre ein Ansatz, bei dem Mikronährstoffe, Training, Stressmanagement und gegebenenfalls Mikro-Dosierungen von Lithium zusammenspielen. Für die Vision eines langen, gesunden Lebens könnte dies ein Mosaikstein sein, der das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen reduziert.
Die bisherigen Studien sind klein und explorativ – sie liefern Signale, aber noch keine Beweise. Was nun gebraucht wird, sind große, randomisierte und langfristige Studien, die klar beantworten, ob Lithium in Spuren tatsächlich die Entstehung oder das Fortschreiten von Alzheimer verlangsamen kann.
Bis dahin gilt: Lithium ist ein spannendes Forschungsfeld mit Potenzial für die Longevity-Medizin. Aber es bleibt eine Hypothese – eine, die wir mit wissenschaftlicher Neugier und Vorsicht zugleich verfolgen sollten.
FOCUS



