Wir müssen den Gürtel enger schnallen – jetzt auch im Gesicht

»Makeover Madness« stand auf dem legendären Cover der italienischen Vogue im Jahr 2005, in der dazugehörigen Modestrecke posierte Linda Evangelista mit Stützverband im Gesicht – die Schönheitsoperationen waren aber nur inszeniert. (Wobei das Model einige Jahre später durch eine Beauty-Behandlung namens »CoolSculpting« verunstaltet wurde.) Was vor zwanzig Jahren als Titelbild noch total verrückt schien, stellt sich jetz als ziemlich prophetisch heraus: Evangelistas Bandagen-Look von 2005 ist nun tatsächlich »en vogue«.
doc-1j1igch350
Um Ihre personenbezogenen Daten zu schützen, haben wir das automatische Laden der Inhalte von Instagram blockiert. Wenn Sie Inhalte dieses Anbieters künftig auf SZ-Magazin.de anzeigen möchten, stimmen Sie bitte den unten genannten Bedingungen zu. (Sie können an dieser Stelle jederzeit Ihre Zustimmung widerrufen.)
Zustimmen und ladenIch bin einverstanden, dass ich diesen Inhalt angezeigt bekomme und dadurch meine personenbezogenen Daten an den Betreiber des Portals, von dem der Inhalt stammt, weitergegeben werden, so dass dieser mein Verhalten analysieren kann. Weitere Informationen finden Sie im Bereich Datenschutz.
Denn Kim Kardashians Shapewear-Firma stellte diese Woche einen collagengetränkten »Sculpt Face Wrap« vor. Quasi ein Stützstrumpf fürs Gesicht, der Kinn, Nacken und die gesamte Wangenpartie straffen soll – ganz einfach über Nacht. Anlegen, festschnallen, hinlegen, fertig. Schönheitsschlaf 3.0.
Ok, nicht so vorschnell, wir sind ja alle aufgeklärt. Experten glauben nicht, dass der Lifting-Effekt solcher Bandagen besonders nachhaltig sei. Im Vergleich zu allem, was die Kardashians an ihrem Aussehen so machen lassen, ist er nur der nicht-invasive Plan B. Trotzdem ist der 48-Dollar-Riemen natürlich sofort ausverkauft. Augenringe und erste Fältchen kriegt man vermeintlich mit Masken und Cremes in den Griff, aber die hängende »Jaw Line« und das Doppelkinn sind der Endgegner jeder alternden Frau. Wenn sich Politiker wie Friedrich Merz über mangelnden Ehrgeiz und Fleiß in der Gesellschaft beschweren – in Sachen Anti-Aging und Körpertransformation werden hier schier unfassbare Energien freigesetzt.
Nach Shapewear für den Hintern, Shapewear für den Bauch und Stützstrümpfen sind wir jetzt also bei der Formwäsche von Kopf bis Fuß angelangt. Der moderne Mensch sehnt sich offensichtlich nach Halt und harten Bandagen. Bei Kim Kardashian findet er sie. Das Versprechen: Alles kann modelliert und zurechtgequetscht werden, man muss es nur wollen. Und viel tragen.
Nun bleibt die restliche Shapewear meist im Verborgenen und blitzt nur gelegentlich unter Röcken und Kleidern auf. Der Kinn- beziehungsweise Kim-Riemen ist kaum ausgehtauglich. Nicht umsonst verschwinden Patienten nach echten Facelifts kurz mal von der Bildfläche. Manche werden ihn, Homeoffice sei Dank, wahrscheinlich auch mal tagsüber anlegen, aber die Empfehlung ist ja ohnehin, ihn nachts zu tragen. Wer auch immer die gemeine Metapher »hässlich wie die Nacht« geprägt hat, allmählich erreicht der Ausspruch eine ganz neue Stufe.
doc-1j1igddte0
Um Ihre personenbezogenen Daten zu schützen, haben wir das automatische Laden der Inhalte von Instagram blockiert. Wenn Sie Inhalte dieses Anbieters künftig auf SZ-Magazin.de anzeigen möchten, stimmen Sie bitte den unten genannten Bedingungen zu. (Sie können an dieser Stelle jederzeit Ihre Zustimmung widerrufen.)
Zustimmen und ladenIch bin einverstanden, dass ich diesen Inhalt angezeigt bekomme und dadurch meine personenbezogenen Daten an den Betreiber des Portals, von dem der Inhalt stammt, weitergegeben werden, so dass dieser mein Verhalten analysieren kann. Weitere Informationen finden Sie im Bereich Datenschutz.
Schon länger präsentieren Frauen auf Tiktok unter dem Hashtag #facesculpting und #morningshed ihre nächtliche Beauty-Routine. Sie legen sich vor dem Zubettgehen Masken für den »Morninglow« aufs Gesicht, schlafen mit Pflaster auf dem Mund, um nur durch die Nase zu atmen, kleben sich buntes Kinesiologie-Tape wie vom Physiotherapeuten auf die Wangen oder legen sich Kinnriemen an, wie sie schon vor dem Skims-Modell erhältlich waren.
Aber wie gut schläft man mit diesem Stützstrumpf im Gesicht? Ist der neue Schönheitsschlaf auch erholsamer Schlaf? Engt die Bandage auf Dauer nicht doch irgendwie das Denken ein? Zumindest wird hier ein alter Menschheits- beziehungsweise Managertraum wahr: Endlich wird die Nacht produktiv. All die tote Zeit kann – ob sinnvoll oder nicht wird sich noch zeigen – genutzt werden. Schlummernd ans Ziel! Klingt ein bisschen wie Nachtzugfahren. Nur dass man da hinterher meist nicht schöner, sondern doppelt fertig aufwacht.
Typischer Instagram-Kommentar: »Schlaf schön!«Das sagt die Gesichts-Masseurin: »Meine 60 Minuten Kobido schlagen locker acht Stunden Stützschlaf«Passender Film: »Die Haut, in der ich wohne« (Pedro Almodóvar)
süeddeutsche