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Dobrindt schließt die Grenzen für Asylsuchende: Wird nun wirklich zurückgewiesen?

Dobrindt schließt die Grenzen für Asylsuchende: Wird nun wirklich zurückgewiesen?

Ab Mittwoch sollten Asylsuchende an den Grenzen zurückgewiesen werden. So die Weisung des neuen Innenministers. Wie sieht das in der Realität aus? Wir waren an der Grenze zu Polen.

Bundespolizisten haben einen Blick auf verdächtige Fahrzeuge, die aus dem polnischen Slubice nach Frankfurt (Oder) rollen.Patrick Pleul/dpa

Am Vormittag ist es sonnig über der Stadt, das helle Licht spiegelt sich in den Oderwellen. Normalerweise wäre es ein Tag wie jeder andere in Frankfurt (Oder) – Pendlerverkehr, Lkw aus Polen, die sich Richtung Westen schleppen. Doch heute ist nichts normal. Denn heute ist Tag eins der Republik Merz.

Es ist kurz nach neun Uhr, als die ersten Kamerateams ihre Stative vor dem Grenzübergang, der über eine schmale Brücke führt, aufbauen. Kameras klicken, Objektive zoomen – die Republik schaut nach Osten. Denn hier, an einer der symbolträchtigsten Grenzen Deutschlands, soll beginnen, was Friedrich Merz in unzähligen Talkshows, Interviews und Wahlkampfveranstaltungen versprochen hat: „Ab Tag eins wird die illegale Migration gestoppt.“

Was folgt, ist eine fast surreale Mischung aus Hochsicherheit und medienwirksamer Inszenierung. Dutzende Polizeiwagen säumen die B112 Richtung Grenzbrücke. Beamte in schwerer Schutzkleidung stehen in Reih und Glied. Wer nach Deutschland will, wird angehalten, herausgewunken, befragt. Immer wieder stauen sich Autos auf der Brücke. Eine polnische Familie mit Berliner Kennzeichen versteht nicht, warum sie mit einem Kleinkind auf offener Straße warten muss.

Nach erst gescheiterter Kanzlerwahl: Jetzt will Merz durchgreifen

In Berlin, keine Autostunde von Frankfurt (Oder) entfernt, hat das neue Kabinett am Abend zuvor die Arbeit aufgenommen. Mehrere Stunden nachdem Merz beinahe bei der Kanzlerwahl gescheitert war. Im ersten Wahlgang fiel der CDU-Mann krachend durch, 18 Abgeordnete aus seiner Koalition verweigerten ihm den Zuspruch. Ein Novum, das sich zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik zutrug.

Abends hatte Merz sich wieder gesammelt. Und am Mittwoch verkündet der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) das, was im Wahlkampf angekündigt worden war: ab sofort Asylstopp und Kontrollen an allen deutschen Grenzen. Er erlässt am Mittag eine mündliche Weisung an die Bundespolizei, die Grenzkontrollen zu verstärken und Zurückweisungen bei illegalen Einreisen zu erhöhen. Die aktuell 11.000 Beamten werden wohl durch weitere 2000 bis 3000 Kräfte verstärkt.

Nach Merz’ großer Ankündigung: Andreas Broska von der Gewerkschaft der Polizei spricht über die Probleme, die die schärferen Grenzkontrollen mit sich bringen. pic.twitter.com/xaCU5lKdiC

— Andreas Kopietz (@KopietzAndreas) May 7, 2025

Außerdem widerruft der CSU-Politiker eine frühere mündliche Anweisung an die Bundespolizei des Ex-Innenministers Thomas de Maizière (CDU) aus dem Jahr 2015 schriftlich. Demnach galt bislang: „Drittstaatsangehörigen ohne aufenthaltslegitimierende Dokumente und mit Vorbringen eines Asylbegehrens ist die Einreise zu gestatten.“ Damals, als Kanzlerin Angela Merkel noch eine Willkommenskultur für alle Flüchtlinge ausgerufen hatte. Die Merkel’sche Migrationspolitik hat somit ein Ende gefunden.

In Frankfurt (Oder) wird die neue Linie sofort umgesetzt. Doch es ist zunächst eine Politik der Bilder, nicht der Zahlen. In der Grenzstadt bedeutet das vor allem: mehr Uniformen, mehr Kontrollen. Und, jedenfalls an Tag eins der Republik Merz, es gibt hier keine Flüchtlinge, die man zurückweisen könnte.

Schleuser bringen inzwischen Flüchtlinge über die grüne Grenze

Ein junger Bundespolizist, Anfang dreißig, raucht nervös an einem mobilen Kontrollpunkt. „Das wird so nicht funktionieren“, sagt er leise. „Aber das soll es vielleicht auch gar nicht.“ Schleuser suchten sich inzwischen sowieso andere Wege, brächten Migranten zur grünen Grenze und nicht nach Frankfurt (Oder). Er wirkt resigniert.

Die Praxis der kriminellen Menschenschleuser ist allseits bekannt: Viele illegale Migranten kommen über die belarussische Grenze und werden dann mit Autos an die polnische Westgrenze gefahren. Manchmal werden sie in Pkw oder Transportern direkt hinübergefahren und dann in Brandenburg ausgesetzt. Die Schleuser machen dann noch ein Beweisfoto, das sie ihren Auftraggebern schicken, als Beweis für die erfolgreiche Schleusung und damit sie ihren Lohn von 600 Euro erhalten.

Andere Schleuser lassen die Migranten in Orten wie Slubice aus dem Wagen, damit sie über die Stadtbrücke nach Frankfurt (Oder) laufen – oder eben nach Hohenwutzen oder Küstrin, 80 bzw. 30 Kilometer nördlich von Frankfurt.

Polizist in Küstrin-Kietz: „Flüchtlinge melden sich bei uns nicht an“

Deshalb steht auch in Küstrin-Kietz ein Polizeiwagen an der Oderbrücke, auf der sich die Autos stauen. Poller verengen die Fahrbahn, die Fahrzeuge kommen nur langsam voran. Das habe aber nichts mit Migranten zu tun, sagt der Beamte, sondern damit, dass die Brücke keine Lkw mehr tragen könne. Durch die verengte Fahrbahn kämen sie nicht mehr hinüber. Migranten habe er heute noch keine kontrolliert, niemand haben „Asyl“ gerufen. „Flüchtlinge melden sich bei uns nicht an“, sagt er und grinst. Mal kämen sie in Scharen, mal gar nicht, so der Bundespolizist.

In Küstrin, 30 Kilometer nördlich von Frankfurt (Oder), steht die Bundespolizei – so wie schon seit letztem Jahr.
In Küstrin, 30 Kilometer nördlich von Frankfurt (Oder), steht die Bundespolizei – so wie schon seit letztem Jahr.Andreas Kopietz/Berliner Zeitung

Als Deutschland im September vergangenen Jahres die stationären Grenzkontrollen auch an der Grenze zu Polen einführte, bezogen uniformierte Bundespolizisten an der Stadtbrücke nach Slubice dauerhaft Stellung. Jeden Tag nahmen sie rund zehn Flüchtlinge in Empfang und brachten sie zur Identitätsfeststellung. Die Bundespolizei war bis zum Dobrindt-Erlass lediglich eine Art Empfangskomitee.

Nach und nach baute sie den Stützpunkt auf der Mittelinsel aus: ein Aufenthaltscontainer, ein Toilettencontainer, ein riesiges Zelt, in dem Autos kontrolliert werden, die von den Beamten herausgewunken wurden. Zwei Beamte stehen auch heute am Straßenrand und mustern die vorbeirollenden Fahrzeuge, die aus Polen kommen. Einer trägt eine MP5 von Heckler & Koch vor der Brust. Der andere hält die Anhaltekelle heraus, als ein weißer Transporter heranrollt. Transporter, polnische Taxen, alte VW Golfs sind besonders im Fokus. Nach welchen Kriterien die Bundespolizisten genau kontrollieren, ist geheim.

Bar-Besitzer schimpft: „Jede Nacht kommen hier Flüchtlinge“

Es ist Mittag, die Journalisten werden nicht weniger. Bislang ist kein einziger Flüchtling hier angekommen. Dafür erscheint Andreas Broska, Vorsitzender der Direktionsgruppe Bundespolizei in der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Man merkt schon: Es herrscht eine angespannte Stimmung und eine gewisse Unsicherheit, weil die Kollegen noch nicht wissen, in welche Richtung es geht“, sagt er.

Er sagt das, was die meisten Bundespolizisten an dem Tag denken: Dass alle auf die genauen Dienstanweisungen warten – ob Asylsuchende noch auf der Grenzlinie zurückgeschickt werden sollen oder ob man sie erst zur Dienststelle mitnimmt, um sie dann nach Polen zu übergeben. Es gebe noch nichts schriftlich.

Der Polizeigewerkschafter Broska bezweifelt derweil, dass die Pläne von Merz und Dobrindt so schnell umsetzbar sind. „Das braucht Zeit“, sagt er. Das müsse mit den Personalräten besprochen werden. Außerdem sei es nicht leicht, so schnell Beamte zu versetzen. Schon jetzt würden Bereitschaftspolizisten aus Bad Düben, Ratzeburg und Blumberg herangezogen, die in 12-Stunden-Schichten die ganze Woche über nicht zu Hause seien und in Zwei-Bett-Zimmern übernachten müssen.

50 Meter hinter der Stadtbrücke in Frankfurt (Oder) besitzt seit mehreren Jahren ein Grieche eine Bar. „Ich bin froh, wenn das hier endlich aufhört. Jede Nacht kommen hier Flüchtlinge, viele junge Männer, oft mit Messern in der Tasche“, schimpft er. „Die Leute hier leben in Angst.“ Er hofft daher, dass die neue Regierung endlich „strengere Grenze“ setzt. Er zuckt aber auch resigniert mit den Schultern und sagt: „Hoffentlich ist das nicht alles nur Symbolpolitik.“

Berliner-zeitung

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