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G-7-Gipfel: Die G 7 und der Elefant im Raum

G-7-Gipfel: Die G 7 und der Elefant im Raum

Vielleicht liegt es daran, dass es sein erstes G-7-Treffen war, vielleicht liegt es an der umwerfenden Kulisse der Rocky Mountains oder dem durchgehend blauen kanadischen Himmel. Friedrich Merz jedenfalls klingt geradezu begeistert, als am Dienstagmittag kanadischer Zeit seine Sicht auf diesen G-7-Gipfel darlegt, der gerade zu Ende gegangen ist.

„Ich kann sagen“, sagt der Bundeskanzler, „dieser G-7-Gipfel ist weitaus erfolgreicher als ich es am Anfang gedacht habe“. Und klar, er meint das inhaltlich, nicht mit Blick auf den idyllischen Tagungsort mitten in den Bergen. Einvernehmliche, gemeinsame Erklärungen zu allen im Vorfeld angestrebten Gipfelthemen, ein vollständiger Konsens auch zu den Schlussfolgerungen daraus – und dazu noch eine gemeinsame Haltung zum Konflikt um das Atomwaffenprogramm Irans: Aus Merz’ Sicht offenbar eine runde Sache.

Kommentar von Hubert Wetzel
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Das Problem ist nur: Die Einigkeit der G 7, die Merz beschreibt, bezieht sich in erster Linie auf Themen, die nicht zu den allerbrennendsten der Gegenwart gehören. Weshalb der optimistische Kanzlerblick auf den Gipfel in Kananaskis nicht ganz darüber hinwegtäuschen kann, dass die G 7 derzeit mindestens in einem Dilemma stecken, wenn nicht in einer Krise.

Sichtbar wird das schon daran, dass mit Donald Trump am Tisch an ein konsolidiertes Abschlusspapier zu den zentralen wirtschafts- und sicherheitspolitischen Krisen der Welt – wie es früher durchaus üblich war – nicht zu denken ist. Stattdessen haben die Sherpas in den Rocky Mountains von Anfang an Einzelpapiere gefeilt – von Künstlicher Intelligenz über Waldbrände und Migration bis zu kritischen Rohstoffen und Quantentechnologie.

Zu denen gab es am Ende zwar in der Tat einen Konsens, eine gemeinsame Position zum russischen Krieg gegen die Ukraine dagegen war von Anfang an als aussichtslos verworfen worden. Und am Dienstag, als der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij als Gast vor Ort war, war der Elefant im Raum nicht mal mehr anwesend: Das Treffen mit Trump, auf das Selenskij gehofft hatte, fiel wegen der vorzeitigen Abreise des US-Präsidenten aus.

Am Dienstagmittag, nach dem Ende des offiziellen G-7-Programms und vor einigen weiteren Gesprächsrunden mit Gästen aus Nicht-G-7-Staaten, verwies Merz darauf, dass anstelle Trumps der amerikanische Finanzminister Scott Bessent an den Sitzungen teilgenommen habe – auch an der mit Selenskij. Man habe über den „weiteren Gang der Dinge“ beraten und über die Frage, wie man Russland möglichst bald an den Verhandlungstisch bekommen könne. „Es bleibt dabei“, sagte Merz, „wir werden die Ukraine weiter militärisch unterstützen. Darüber gibt es einen Konsens – nicht nur in der Europäischen Union, sondern auch in der Gruppe der G 7“.

Unklar aber ist weiterhin, ob und wenn ja, wann die USA eigene neue Sanktionen gegen Russland auf den Weg bringen werden. Die EU bereite bereits ein weiteres umfassendes Sanktionspaket vor, sagte Merz. Mit Blick auf die Position der USA aber konnte er nur verkünden, dass er „mit dem vorsichtigen Optimismus“ zurück nach Deutschland gehe, dass es auch in Amerika in den nächsten Tagen Entscheidungen geben werde, „weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen“. Allerdings hatte Trump seine G-7-Kollegen in Kanada zuletzt noch wissen lassen: „Vergessen Sie nicht, dass Sanktionen uns eine Menge Geld kosten!“

Ebenfalls wenig Bewegung gab es beim Zollstreit mit den USA. Mit Großbritannien unterzeichnete Trump in Kanada zwar ein Zollabkommen. Mit Blick auf die angedrohten Strafzölle gegen die EU dagegen konnte Merz am zweiten Gipfeltag in der ARD lediglich verkünden: „Wir nähern uns in kleinen Schritten einer Einigung.“ Im ZDF sagte er, er sei zuversichtlich, dass ein Abkommen gelingen werde. Aber: „Es wird kein sehr umfassendes Abkommen sein, es wird einige wenige große Branchen betreffen.“ Die seien jedoch wichtig, wie etwa die Autoindustrie. Und Trump? Zeigt sich weniger optimistisch als Merz. „Wir sind im Gespräch, aber ich habe nicht das Gefühl, dass sie bisher ein faires Angebot gemacht haben“, sagte der US-Präsident mit Bezug auf die EU. „Entweder sie machen ein gutes Geschäft oder sie zahlen einfach, was wir ihnen sagen, dass sie zahlen müssen.“

Merz sieht möglichen Regimewechsel positiv

Dass in dieser Gemengelage das gemeinsame Statement zu Iran und Israel vom Montagabend schon fast als eine Art Überraschungserfolg wahrgenommen wurde, ist kein Wunder. Dass es überhaupt zustande kam, kurz vor Trumps Abreise, wird dabei zum Wert an sich – selbst wenn es für sich genommen nicht besonders weitgehend ist.

Merz selbst wählte am Dienstag etwas deutlichere Worte. Zum Vorgehen der Israelis am Dienstag sagte er im ZDF: „Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.“ Er habe „größten Respekt“ davor, dass die israelische Armee und Staatsführung den Mut gehabt hätten, „das zu machen“. In der ARD sagte er: „Wir haben es hier mit einem Terrorregime zu tun – nach innen wie nach außen. Es wäre gut, wenn dieses Regime an sein Ende käme.“ Doch auch bei dieser Krise schauen bis auf Weiteres alle erst einmal nach Washington und auf das, was der mächtigste Mann der Welt tut.

In nicht einmal einer Woche werden die anderen Staats- und Regierungschefs sich ohnehin schon wieder ihrer inzwischen vornehmsten Aufgabe widmen müssen, den US-Präsidenten erst bei Laune und dann möglichst auch bei der Stange zu halten. Dienstag und Mittwoch treffen sie sich nämlich in Den Haag, zum Nato-Gipfel.

Auf die Frage, ob Trump wirklich kommen werde, sagte Merz in Kananaskis: „Er hat’s mir fest zugesagt.“ Übersetzt bedeutet das in diesen Zeiten wohl: Mal sehen.

süeddeutsche

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