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Sanktionstalk bei Lanz: Wie der Westen die russische Kriegskasse füllt

Sanktionstalk bei Lanz: Wie der Westen die russische Kriegskasse füllt

Mit seiner Schattenflotte umgeht Russland den Ölpreisdeckel.

(Foto: picture alliance/dpa/Lehtikuva)

Wenn die FDP-Verteidigungsexpertin Strack-Zimmermann und der ehemalige Linken-Chef Bartsch bei Lanz sitzen, ist eine konfrontative Diskussion zu erwarten. Doch dann schaltet sich ein Ökonom ein. Und den anderen Gästen bleibt die Spucke weg.

Am Mittwochabend passiert bei Markus Lanz im ZDF etwas, das man nur selten erlebt: Die Gäste von Linken und FDP sind sich einig. Knapp fünf Minuten lang. Zunächst geht es um einen Misstrauensantrag gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ein rechter Abgeordneter aus Rumänien wirft ihr Intransparenz und Missmanagement im Zusammenhang mit Maskenbeschaffungen während der Corona-Krise vor. Der Antrag habe keine Aussicht auf Erfolg, könne aber das Ansehen der EU-Kommission als Institution schädigen. Das sei das Ziel der Rechten, sagen die FDP-Europaparlamentarierin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Ex-Linkenchef Dietmar Bartsch unisono. Auch in ihrer Kritik über die gebrochenen Wahlversprechen von Bundeskanzler Friedrich Merz sind sie sich einig.

Damit ist es dann wieder vorbei, als es um die Verteidigungsfähigkeit Europas gegen mögliche Angriffe Russlands geht. Während Strack-Zimmermann die europäische Aufrüstung begrüßt, weil man nur aus einer Position der Stärke mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über ein Ende des Ukrainekrieges verhandeln könne, kritisiert Bartsch die Vervierfachung des Verteidigungshaushalts in den letzten zwanzig Jahren. Bartsch fordert, dass sich die Bundeswehr nicht erneut in Projekten wie den Einsätzen in Afghanistan oder Mali verzetteln dürfe. Hier wird Strack-Zimmermann richtig wütend: "Herr Bartsch: In der Ukraine ist die Kacke am Dampfen, und sie erzählen was über Mali. Meine Güte!"

Löchrige Sanktionen

Auch der Ökonom Benjamin Hilgenstock weiß: Ein Krieg endet nur mit Verhandlungen. Der russische Präsident Putin sei jedoch nicht dazu bereit, sagt er. Druck könnten Sanktionen ausüben. Die Europäische Union will nun erneut die Sanktionen gegen Russland verschärfen. Zum achtzehnten Mal. "Die bisherigen Sanktionen haben deutliche Wirkungen auf Russland gezeigt", sagt Hilgenstock. "Die russische Wirtschaft befindet sich in keiner einfachen Situation." Aber Europa habe noch nicht genug getan. Hilgenstock: "Wenn wir keine effektiven Sanktionen durchsetzen im Hinblick auf Russland, effektivere Sanktionen, als es jetzt schon der Fall ist, dann wird es sehr schwer, der Ukraine so viel Geld und so viele Waffen zur Verfügung zu stellen, dass sie sich verteidigen kann gegen ein Russland, das unbegrenzte Möglichkeiten hat, weiter aufzurüsten und diesen Krieg weiterzutreiben."

Russland sei unter anderem dazu in der Lage, weil europäische Länder seit Beginn des Krieges unter anderem Flüssiggas in Höhe von 37 Milliarden Euro aus Russland importiert haben. Hilgenstock erklärt: "Es gibt schlicht und einfach in Europa keinen politischen Konsens für weitergehende Sanktionen im Energiebereich." Europäische Länder kaufen laut Hilgenstock Öl und Gas, das über Pipelines nach Europa kommt. Flüssiggas wird mit Schiffen transportiert. Öl und Gas werden nur noch an Ungarn und die Slowakei geliefert. Das Flüssiggas landet dagegen vor allem in Frankreich, Spanien, Belgien und den Niederlanden. Von dort aus wird es weitergeliefert. Auch nach Deutschland. "Was russisches Gas betrifft, gibt es so gut wie keine Sanktionen. Weil in der EU Sanktionen, zumindest wenn sie im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik implementiert werden, einstimmig beschlossen werden müssen."

Was der Ökonom schildert, hat die EU 2022 genau so beschlossen. Man wollte damals nicht die Menge an russischem Gas und Öl sanktionieren, sondern man führte einen Ölpreisdeckel ein. Hilgenstock: "Solange russisches Öl unter der Beteiligung von Dienstleistern aus G7-Staaten transportiert wird, fällt dieses Öl unter den Ölpreisdeckel und muss zu einem bestimmten Preis verkauft werden. Der wurde auf 60 Dollar pro Fass festgelegt." Wenn Öl von anderen Dienstleistern transportiert wird, legt Russland die Preise fest. Zum Transport nutze Russland seine Schattenflotte: "Russland hat eine Flotte von Schiffen angekauft, die keine Verbindung zu G7-Staaten hat", so Hilgenstock. Zwar haben die EU-Staaten die Schattenflotte sanktioniert: Ihre Schiffe dürfen EU-Häfen nicht mehr ansteuern. Nun muss die EU aber noch ein Problem lösen. Hilgenstock: "Wie bekommt man es hin, dass diese Schiffe auf ihrem Weg zum Beispiel von Russland nach Indien es nicht mehr schaffen, in Betrieb zu bleiben?"

"Als ich von dieser Summe von 37 Milliarden Euro hörte, war auch ich geschockt", gesteht Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die inzwischen sehr nachdenklich geworden ist. Sie kritisiert, "dass wir, der Westen, mehr Geld in die russische Kasse spülen, als wir gleichzeitig den Ukrainern Mittel zur Verfügung stellen. Und das ist an Bigotterie nicht zu überbieten." Jetzt befasse sich die EU-Kommission damit, wie man Länder, die diesen Weg einschlagen, sanktionieren könnte.

Halbherziges Vorgehen erhöht die Kriegskosten

Ein wenig sei auch geschehen, um Russland zu schaden, entgegnet darauf Ökonom Hilgenstock. Für Russland sei es zwar auch möglich, bestimmte Komponenten aus Europa einzuführen, allerdings zu einem sehr hohen Preis. So zahle Russland für Lieferungen aus China oder der Türkei drastische Aufschläge im Vergleich zum Weltmarkt. Hilgenstock spricht von mehreren hundert Prozent für Bauteile aus dem Westen, die zum Beispiel in Drohnen Verwendung finden - Drohnen, die unter anderem die ukrainische Hauptstadt Kiew verwüsten.

Gleichzeitig verdiene Russland mit seinen Exporten jedoch uneingeschränkt hohe Summen. So habe Russland mit Öl- und Gasexporten im letzten Jahr etwa 230 Milliarden Dollar eingenommen. Diese Exporte gehen aber laut Hilgenstock nicht nur nach Europa, sondern auch nach Indien oder China. "Klar ist: Wenn man ein Sanktionsregime implementiert, das von Anfang an sagt: Wir lassen das russische Öl auf den Markt, weil wir uns legitimerweise Gedanken machen über globale Energiepreise, dann begrenzt das den potentiellen Einfluss der Sanktionen von Anfang an."

Das Problem bringt Hilgenstock auf den Punkt: Europa mutet sich die höheren Kosten von strikteren Sanktionen nicht zu, muss dafür aber der Ukraine mehr Geld für ihre Verteidigung zur Verfügung stellen.

Ohne Material aus westlicher Produktion wäre Russland kaum in der Lage, einen Krieg zu führen, erklärt Hilgenstock: "Wenn es um Hochtechnologie geht, um Navigationstechnologie, Kommunikationsinstrumente, KI-Chips, dann gibt es keinen Weg um westliche Produkte herum." In dem neuen Sanktionspaket der EU steckten einige gute Maßnahmen, sagt der Ökonom. "Aber letztlich ist dieses Sanktionspaket nicht das, was Bundeskanzler Merz und andere Staatsoberhäupter und Regierungschefs vor einigen Wochen in Kiew versprochen haben. Sie haben drastische Sanktionen versprochen, drastische Sanktionen sind das aber nicht." Man habe schlicht und einfach zu hohe Erwartungen geweckt.

Quelle: ntv.de

n-tv.de

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