Strompreis-Entlastung der Koalition gescheitert: Haushalte zahlen weiter – bis zu 140 Euro im Jahr

Es war ein großes Versprechen, das im Koalitionsvertrag festgehalten wurde: CDU/CSU und SPD wollten die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß senken – und zwar ausdrücklich „für alle“. Doch daraus wird vorerst nichts. Im Koalitionsausschuss konnten sich die Regierungsparteien jetzt nicht auf eine weitergehende Senkung für private Haushalte einigen. Der Grund: angeblich unbezahlbar. Was bleibt: Millionen private Stromkunden gehen leer aus.
Vergangene Woche hatte das Kabinett zunächst beschlossen, die Steuer lediglich für das produzierende Gewerbe sowie für Land- und Forstwirtschaft zu senken. Doch kaum war die Entscheidung gefallen, meldeten sich Teile der Union bereits wieder mit Zweifeln – sehr zum Unmut der SPD. Die Forderung: Die Entlastung müsse für alle gelten.
Doch die Forderungen wurden nicht erhört. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) begründen ihre Ablehnung mit „Haushaltszwängen“. Laut Angaben des Finanzministeriums würde eine Stromsteuersenkung für alle Verbraucher den Staat rund 5,4 Milliarden Euro jährlich kosten – Geld, das an anderer Stelle eingespart werden müsste. Welche Vorhaben dafür möglicherweise geopfert werden könnten, ließ man offen.
Stromsteuer: Das bedeutet die Entscheidung für VerbraucherDoch das ist vorerst vom Tisch. Stattdessen müssen Verbraucher weiterhin mehr berappen. Die Stromsteuer beträgt in Deutschland derzeit 2,05 Cent pro Kilowattstunde (kWh) – der europäische Mindestwert liegt bei gerade einmal 0,1 Cent. Eine Senkung auf dieses Niveau würde eine Ersparnis von 1,95 Cent pro kWh bedeuten. Was auf den ersten Blick wie eine Kleinigkeit wirkt, summiert sich im Alltag schnell auf.
So hätte ein durchschnittlicher Single-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von rund 1500 Kilowattstunden etwa 35 Euro im Jahr gespart – das entspricht immerhin rund 2,90 Euro im Monat, also fast einem Streaming-Abo. Ein Paar-Haushalt mit 2800 kWh Verbrauch hätte sogar fast 65 Euro jährlich weniger gezahlt – genug für einen Restaurantbesuch oder einen Einkauf.
Eine vierköpfige Familie hätte bis zu 140 Euro im Jahr gespartFür eine vierköpfige Familie, die etwa 5000 Kilowattstunden im Jahr verbraucht, hätte die Senkung knapp 100 Euro pro Jahr bedeutet. Eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh hätte laut Verivox um 93 Euro gespart. Haushalte mit Wärmepumpe, die teilweise 7500 kWh oder mehr verbrauchen, hätten sogar mehr als 140 Euro jährlich gespart. Und für besonders stromintensive Haushalte – zum Beispiel mit zwei E-Autos oder großen Altbauwohnungen – wären sogar bis zu 195 Euro im Jahr drin gewesen.
Lundquist Neubauer vom Vergleichportal Verivox sagt der Berliner Zeitung: „Die Absenkung hätte den Strompreis um rund 2 Cent reduziert. Diese Entlastung wäre von den Energieversorgern direkt weitergegeben worden, da es sich um eine Steuersenkung gehandelt hätte.“
Doch bis das geschieht, bleibt alles beim Alten. Und in der Koalition rumort es, vor allem in der Union. CSU-Chef Markus Söder, der sich für die Entlastung eingesetzt hatte, beteuerte am Donnerstag, dass die Stromsteuer zum Januar 2027 für alle Verbraucher „auf das europäische Mindestmaß gesenkt“ werde.
Auch Unionsfraktionschef Jens Spahn hatte vor ein paar Tagen öffentlich betont, die Stromsteuer solle „dauerhaft für alle sinken“. Jetzt klingt das deutlich leiser. Im ARD-„Morgenmagazin“ musste Spahn am Donnerstag zurückrudern: „Wir hätten uns mehr gewünscht.“ Zwar sei die Lage für viele Familien und Betriebe „extrem angespannt“, Stromkosten „viel zu hoch“, räumte Spahn ein. Doch auch die Haushaltslage lasse kaum Spielraum. „Wir wollen solide Finanzen – und das ist nach drei Jahren Rezession nur schrittweise möglich.“ Als „ersten Schritt“ verwies er auf bereits beschlossene Entlastungen: die Teilübernahme der Netzentgelte, sinkende Gaspreise, die Ausweitung der Mütterrente und das neue Modell der „Aktivrente“.
Kritik von allen Seiten: Ein „gebrochenes Versprechen“Aus der Opposition hagelt es scharfe Kritik, von Verbänden und Grünen ebenso. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann wirft der Union einen glatten Wortbruch vor: „Im Wahlkampf wurde versprochen, jede Verbraucherin und jeden Verbraucher zu entlasten. Und jetzt heißt es plötzlich: Dafür ist kein Geld da.“ Das nun angekündigte „vielleicht irgendwann“ sei ein „gebrochenes Versprechen“.
Dabei, so Haßelmann, gebe es durchaus finanzielle Spielräume – etwa im Sondervermögen für Klimaschutz und Infrastruktur, das mit rund 500 Milliarden Euro ausgestattet sei. Der Fonds wurde durch eine Grundgesetzänderung geschaffen – auch mit den Stimmen der Grünen. Von einem „fatalen Signal“ spricht ebenfalls die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier. „Gerade in Zeiten hoher Lebenshaltungskosten brauchen sie spürbare Entlastungen.“
Berliner-zeitung