Frühstart-Rente geplant: Wirtschaftsweise warnt vor zweitem Riester-Flop

Die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier fordert, dass die Bundesregierung bei der geplanten Frühstart-Rente die Fehler der „Riester-Rente“ nicht wiederholt. Es brauche dieses Mal Anlageprodukte mit höheren Renditen und niedrigeren Kosten, schreibt Malmendier in einem Arbeitspapier des Sachverständigenrats Wirtschaft. Außerdem plädiert sie für standardisierte Finanzprodukte, die dem Einzelnen keine komplizierte Entscheidung abverlangen.
Die Koalition möchte mit der Frühstart-Rente die private Altersvorsorge fördern. Für jedes Kind soll der Staat vom 6. bis zum 18. Lebensjahr monatlich zehn Euro einzahlen. Dieses Geld fließt in ein „individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot“. Nach dem 18. Geburtstag können die Depot-Inhaber laut den bisherigen Plänen weiteres Geld einzahlen. Mit Beginn der Rente wird die angesparte Summe dann ausgezahlt. Die Erträge sollen bis zum Rentenstart steuerfrei sein.
Neben dem Finanzpuffer, den jedes Kind so für sein Rentenalter erhalten soll, erhofft sich die Regierung einen psychologischen Effekt. Denn in Deutschland investieren im Vergleich zum europäischen Ausland nur sehr wenige Haushalte am Kapitalmarkt. Ihnen entgeht die Möglichkeit, ihr Geld gewinnbringend anzulegen. Kinder sollen deshalb früh lernen, mit Finanzprodukten umzugehen. Dieses Ansinnen lobt auch die Wirtschaftsweise Malmendier.
Wie hoch die Summe ist, die jedes Kind auf seinem Depot anspart, hängt neben den Einzahlungen maßgeblich von zwei Faktoren ab: den Kosten und der Rendite des Finanzprodukts.
Eine Beispielrechnung: Der Staat zahlt ab dem 6. Lebensjahr monatlich zehn Euro in ein Finanzprodukt ein, das drei Prozent Kosten aufweist und eine durchschnittliche Rendite von sieben Prozent erzielt. Nach einer Ansparzeit von zwölf Jahren und weiteren 50 Jahren, in denen das Geld liegengelassen wird, würde sich zu Rentenbeginn eine Summe von etwa 13.000 Euro ergeben.
Geht man dagegen von nur einem Prozent Kosten und einer Durchschnittsrendite von sieben Prozent aus, stünden am Ende schon 38.500 Euro. Reduziert man die Kosten weiter auf 0,5 Prozent und nimmt eine Rendite von acht Prozent an, würden zum Renteneintritt rund 85.000 Euro zur Verfügung stehen.
„Die Wucht des Zinseszins ist enorm“, sagt der Fachbuchautor und Verhaltensökonom von der Hochschule Ludwigshafen, Hartmut Walz. Er rät dazu, vor allem die Kosten des Finanzprodukts im Blick zu behalten. Nicht empfehlenswert seien etwa Anlagen mit Kapitalgarantie. Diese Produkte seien häufig renditeschwach und eine Garantie angesichts des langen Anlagezeitraums von mehr als 60 Jahren nicht notwendig.
Hartmut Walz, Fachbuchautor und Verhaltensökonom von der Hochschule Ludwigshafen
Walz warnt vor der starken Lobby der Versicherer, die sich angesichts der Pläne zur Frühstart-Rente schon auf drei Millionen neue Verträge freuen. „Kapitalbildende Lebensversicherungen haben zum Beispiel regelmäßig hohe Kosten. Da besteht die Gefahr, dass wir nicht die jungen Leute subventionieren, sondern die Finanzindustrie.“
Wirtschaftsweise Malmendier zeigt in ihrem Arbeitspapier zwei Möglichkeiten auf, die Anlage zu organisieren: Entweder über individuelle private Depots oder über eine kollektive Anlage. Dabei hätten private Depots den Vorteil, dass Familien eigene Anlageentscheidungen treffen könnten und individuelle Erfahrungen sammeln. Eine zentral verwaltete kollektive Anlage könnte dagegen günstige Effekte für die laufenden Kosten bringen. Außerdem würde kein Kind benachteiligt, weil die Eltern ein weniger renditestarkes Produkt ausgewählt haben, heißt es in dem Papier.
Ein Beispiel aus Israel zeigt, dass man auch beide Wege kombinieren kann. Jeden Monat zahlt der Staat dort für jedes Kind etwa 15 Euro ein. Dafür werden die Eltern nach der Geburt ihres Kindes aufgefordert, sich für einen Sparplan bei einer Bank oder einen Vorsorgefonds mit unterschiedlichen Risikoklassen zu entscheiden. Melden sich die Eltern binnen sechs Monaten nicht zurück, fließt das Geld automatisch in ein Standardprodukt – im Fall Israel ein Sparplan bei einem Fondsanbieter mit höherem Risiko und entsprechend höherer Renditechance.
In Israel bekommt jedes Kind, das Kindergeld erhält, auch einen Sparplan. Diese Automatisierung empfiehlt Malmendier auch für die deutsche Frühstart-Rente. Denn bisher ist nicht klar, ob alle Kinder die staatliche Förderung erhalten oder nur die, deren Eltern sie beantragen. Letzteres hätte den Nachteil, dass wahrscheinlich viele Kinder aus einkommensschwachen und bildungsfernen Haushalten keinen Sparplan erhalten würden – etwa weil die Antragstellung für die Eltern zu aufwendig und kompliziert wäre.
Gerechter wäre deshalb eine automatisierte Erfassung aller Kinder auch in Deutschland. Malmendier schlägt vor, dafür entweder den Kindergeldbezug oder die Steuer-ID zu nutzen, die jedem Kind in Deutschland schon bei der Geburt zugewiesen wird.
Das würde aber auch die Kosten für den Staat erhöhen. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte bereits im Wahlkampf ausgerechnet, dass die Frühstart-Rente pro Jahrgang 84 Millionen Euro jährlich kosten würde. Nimmt man an, dass alle Kinder das Geld erhalten würden, kämen bei zwölf Jahrgängen Ausgaben von etwa einer Milliarde Euro im Jahr zusammen.
Geplant war das Gesetz ursprünglich schon zum Jahresbeginn 2026. Laut Experten könnte das aber knapp werden.
rnd