Generalsanierung Bahn, die Zweite

Schon die Ankunft am Bahnhof Ludwigslust zeigt, warum der Anlass für den Ortstermin ein wichtiger ist: Der aus Berlin heran gerauschte ICE passt nicht an den Bahnsteig. Fahrgäste aus dem letzten Wagen werden gebeten, im nächst vorderen Wagen auszusteigen - der Zug ist zu lang, der Bahnsteig zu kurz. Solche und sehr viele andere Probleme sollen in den kommenden neun Monaten beseitigt werden. Denn die nächste Generalsanierung im DB-Streckennetz steht an. Und dieses Mal auch eine Art Lackmus-Test. Denn die Strecke Hamburg-Berlin ist mit 280 Kilometern etwa viermal so lang wie die Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim, die 2024 als erste saniert wurde.
Es ist hoffentlich kein schlechtes Zeichen, dass ein heftiger Platzregen just in dem Moment niederprasselt, als DB InfraGo-Chef Philipp Nagl am Freitagvormittag das Startsignal für die Generalsanierung gibt. Ein symbolischer Akt, denn die tatsächlichen Arbeiten starten erst um 21 Uhr. Die zahlreichen Gäste, die sich morgens auf halber Strecke in Ludwigslust eingefunden haben, müssen im Festzelt wegen des rauschenden Regens sehr genau hinhören, als Nagl betont: „Wir machen Deutschlands wichtigste Städte-Direktverbindung zum Stabilitätsanker für einen zuverlässigen Eisenbahnverkehr.“ Der Weg dahin werde ein Kraftakt für Fahrgäste wie für Unternehmen. „Aber ich bin mir sicher, er wird sich für alle auszahlen.“
Das hoffen in der Tat viele Bahnnutzende, denn derzeit sind auf der Strecke – eine der meistbefahrenen Deutschlands - Zugausfälle und auch Verspätungen keine Seltenheit. Nun wird sie für die nächsten neun Monate komplett gesperrt. Allein im Fernverkehr sind dort sonst etwa 30.000 Menschen pro Tag unterwegs – sie müssen nun bis Ende April einen Umweg von 45 Minuten fahren. Noch härter trifft es die Regionalpendler. Für sie gilt es, die nächsten neun Monate fast komplett auf Schienenersatzverkehr mit Bussen zurückzugreifen und deutlich längere Fahrtzeiten in Kauf zu nehmen.
Ulrich Lange (CSU), parlamentarischer Staatssekretär beim Verkehrsminister, macht als Vertreter der Bundesregierung dann auch klar: „Nach dem Pilotprojekt Riedbahn wird die Sanierung der Strecke Hamburg-Berlin zum Gradmesser für das Konzept der Korridorsanierung.“ Denn den Pendlerinnen und Pendlern werde ebenso wie dem Güterverkehr durch den Schienenersatzverkehr einiges zugemutet. Die Bezeichnung Korridorsanierung wählt er dabei mit Bedacht: „Eine echte Generalsanierung hätte wesentlich mehr umfasst.“
In der Tat hat die DB den Ursprungsplan abgespeckt und verschiebt die Digitalisierung der Schienen mit dem Zugsteuerungssystem ETCS wegen hoher Kosten auf die Mitte der Dreißigerjahre. Plan heute: Die Installation wird erst mal nur vorbereitet. Beim angepeilten Kostenrahmen von 2,2 Milliarden Euro bleibt es trotzdem. Ein Puffer von 300 Millionen Euro kommt hinzu. Höchstens 2,5 Milliarden werde die Sache also kosten, betont Lange, und außerdem dürfe das Ganze nicht zu Lasten des Flächennetzes gehen. „Wir werden daher in enger Abstimmung mit der Branche und den betroffenen Regionen das Konzept noch einmal anpassen.“
Auch Vertreterinnen und Vertreter der vier unmittelbar betroffenen Länder – Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Berlin – sind nach Ludwigslust gekommen. Alle betonen, wie wichtig es sei, die Betriebsqualität und Zuverlässigkeit der zentralen Verkehrsverbindung zu erhöhen. Für die Fahrgäste bedeute das zunächst einschneidende Einschränkungen, sagt Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU). „Umso mehr erwarte ich, dass nach der Generalsanierung ein deutlich stabilerer Betrieb mit weniger Verspätungen Realität wird.“
Was zu diesem Zweck unter anderem passieren soll: 165 Kilometer Schienen und fast 250 Weichen werden ausgetauscht. 28 Bahnhöfe werden modernisiert und schick gemacht, mancherorts der Schotterüberbau erneuert. Es gibt neue Funkmasten für den 5G-Standard und sechs neue Überleitstellen, sodass Züge einander überholen können.
Auf die Güterbahnen kommen während der Sanierung Einschränkungen und auch ein deutlicher Mehraufwand zu. An verkehrsreichen Tagen nutzen etwa 100 Güterzüge die Route Hamburg - Berlin, in der Spitze sind es bis zu 120. Peter Westenberger, Geschäftsführer des Verbands Die Güterbahnen, beklagt mangelnden Austausch über das Konzept und auch teils hunderte Kilometer Umwege. „Für den Güterverkehr beginnt eine Hochbelastungszeit von neun Monaten.“
rnd