Auf Zuruf aus Berlin: Brüssel bereitet Weg für Industrie-Subventionen

Brüssel wird Subventionen für die Betriebskosten von EU-Unternehmen genehmigen, um energieintensive Industrien davon abzuhalten, in Länder mit günstigeren Strompreisen abzuwandern. Damit kommt die EU-Kommission deutschen Forderungen nach einem Industriestrompreis näher.
Eigentlich verbietet die EU staatliche Beihilfen, um zu verhindern, dass ein Land seine heimischen Unternehmen begünstigt und den EU-Binnenmarkt verzerrt. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich jedoch die Praxis etabliert, dass Investitionshilfen manchmal akzeptabel sind, die Übernahme von Betriebskosten für ansonsten leistungsschwache Unternehmen hingegen nicht.
Ab Mittwoch wird Brüssel den EU-Staaten nun grünes Licht geben, Unternehmen einen Rabatt von bis zu 50 Prozent auf die Hälfte ihres Stromverbrauchs zu gewähren, was einer Subventionierung von bis zu einem Viertel ihrer Stromrechnung entspricht, sofern die Gesamtkosten nicht unter 50 Euro pro Megawattstunde fallen.
„Wenn Europa im Bereich der sauberen Technologien führend sein will, müssen wir mutig und klar handeln”, sagte Teresa Ribera, EU-Wettbewerbskommissarin. Der Plan werde „die Energiesysteme stabiler, erschwinglicher und fairer machen” und gleichzeitig „Verzerrungen” des EU-Binnenmarktes vermeiden, fügte sie hinzu.
Die Maßnahme, die von mehreren hochrangigen EU-Beamten als „Abkehr“ von der üblichen Vorgehensweise Brüssels bezeichnet wird, soll bis 2030 in Kraft bleiben.
„Es ist bemerkenswert, dass die Kommission bereit ist, Ausgleichszahlungen für Betriebskosten in dieser Höhe zuzulassen“, sagte Joachim Schmitz-Brieber vom Thinktank EPICO. „Bislang war dies nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar“, fügte er hinzu.
Dieser Schritt signalisiert, „wie ernst Brüssel das Risiko von Industrieverlagerungen offenbar nimmt“.
Unternehmen, die von den neuen Regeln für staatliche Beihilfen profitieren können, reichen von Bergbauunternehmen bis hin zu Stahlproduzenten, also von Branchen, die viel Strom verbrauchen und zunehmend unter Druck ausländischer Wettbewerber stehen.
Die Kursänderung folgt auf Bedenken der Kommission hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver EU-Unternehmen gegenüber ihren chinesischen und US-amerikanischen Konkurrenten, die von deutlich günstigeren Strom- und Gaspreisen profitieren.
Dieser Schritt Brüssels wird von den größeren EU-Ländern, insbesondere Deutschland und Frankreich, begrüßt, die seit Langem lockerere Regeln für staatliche Beihilfen fordern, um ihre angeschlagenen Industrien zu unterstützen.
Kleinere Mitgliedstaaten argumentieren, dass lockerere Regeln den Binnenmarkt der EU fragmentieren würden, da wirtschaftsstarke EU-Länder mit ihren größeren Haushalten dadurch unfair begünstigt würden.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche begrüßte diesen Schritt der EU. Sie plant nun, ein Konzept für einen Industriestrompreis vorzulegen.
(om)
euractiv