39 Grad in Berlin: So setzen sich die Grünen für Siesta und Hitzefrei ein

Deutschland ächzt unter der Hitze: In Berlin kletterten die Temperaturen am Dienstag auf 32 Grad, am Mittwoch werden bis zu 39 Grad erwartet. Für Arbeitnehmer heißt das: Hitzeschutz – im Büro genauso wie draußen. Die Politik diskutiert seit Jahren über Maßnahmen, auch in diesem Sommer. Im Gespräch: Hitzefrei, mehr Schutz vor Wärme oder sogar eine Siesta nach südeuropäischem Vorbild. Grüne und Linke fordern jetzt klare gesetzliche Vorgaben.
Geht es nach den Grünen, sollen Arbeitgeber ab 26 Grad verpflichtet sein, Maßnahmen wie bezahlte Pausen, angepasste Arbeitszeiten, Schattenplätze, Ventilatoren und kostenlose Getränke bereitzustellen. Bei extremen Bedingungen müsse sogar ein gesetzlich verankertes Recht auf Hitzefrei greifen.
Linke-Chef van Aken: Es geht nicht um Hitzefrei, sondern um SchutzAuch die Linke will klare Regeln – vor allem in Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Parteichef Jan van Aken warnt: „Hier geht es nicht um Hitzefrei, sondern um echten Schutz – für Personal und Patienten.“ Kürzere Arbeitszeiten und garantierte Pausen seien unerlässlich. Der Berliner Zeitung sagt er: „Die Frage ist daher weniger, wie sich dort Hitzefrei umsetzen lässt, sondern wie sich dort Hitzeschutz umsetzen lässt.“
Er fordert ebenfalls: „Die Verkürzung der Arbeitszeit und das Recht auf Pausen muss dort gelten, wo es nicht möglich ist, die Temperaturen zu senken.“ Auf dem Bau, auf den Feldern und in den Straßen werde es „nicht immer möglich sein, die hart arbeitenden Menschen vor der Hitze zu schützen“.
Damit lebt auch die Siesta-Debatte wieder auf – Pause machen, wenn die Sonne knallt. Woanders ist es seit Jahrzehnten ein bewährtes Konzept. In Ländern wie Spanien, Italien oder Griechenland gehört die lange Mittagspause von 12 bis 16 Uhr längst zum Alltag – als Antwort auf die sommerliche Hitze. Doch mit dem Klimawandel steigen die Temperaturen auch in anderen Teilen Europas, und die Siesta rückt zunehmend in den Fokus.
Schon 2023 hatten in Deutschland IG BAU und Amtsärzte mehr Schutz für Bauarbeiter und Beschäftigte im Freien gefordert. Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG BAU, sagte damals der „Tagesschau“: „Natürlich müssen wir vor allem die Beschäftigten schützen, die bei dieser Gluthitze draußen unter freiem Himmel arbeiten müssen.“ Der damalige Gesundheitsminister Lauterbach zeigte sich ebenfalls offen für Siesta-Modelle – verwies aber auf die Verantwortung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. „Siesta in der Hitze ist sicherlich kein schlechter Vorschlag“, so Lauterbach.
Gewerkschaft fordert Recht, die Arbeit bei Gesundheitsgefahr niederzulegenAuch Verdi unterstützt längere, bezahlte Pausen und setzt auf europaweite Regelungen. Der Gewerkschaftssprecher Markus Nöthen sagt der Berliner Zeitung: „Eine Siesta-ähnliche Pause kann ein sinnvoller Hitzeschutz sein, etwa bei körperlich anstrengender Arbeit im Freien“. Nöthen fordert deshalb eine EU-Richtlinie mit klaren Obergrenzen für Arbeitstemperaturen. Wichtig sei zudem das Recht, die Arbeit bei Gesundheitsgefahr niederzulegen. Ohne Nachteile. Auch Lohnausgleich bei Hitze müsse mitgedacht werden.
Das Problem derzeit: Ein Hitzefrei-Anspruch existiert nicht. Doch der politische Druck steigt. Besonders vulnerable Gruppen stehen im Fokus. Die Grünen wollen ein Förderprogramm für Pflegeeinrichtungen ausweiten – 200 Euro pro Person für Klimaanlagen und Hitzeschutz.
Grüne: Regierung muss Menschen besser schützenDie Grünen-Bundestagsabgeordnete Julia Verlinden sagt der Berliner Zeitung: „Heiße Tage und tropische Nächte werden aufgrund der Klimakrise auch bei uns zunehmen. Und solche Hitzeereignisse sind eine Gesundheitsgefahr.“ Die Politikerin weiter: „Die Bundesregierung muss die Menschen in unserem Land hier besser schützen.“ Trinkwasserspender und mobile Berieselungsanlagen an öffentlichen Plätzen könnten „hier alltagsnahe Maßnahmen für alle sein“.
Mit Blick auf den Arbeitsplatz brauche es, so die Grüne, passgenaue Lösungen zu Hitzeschutz und Hitzefrei, „wie z.B. ein der Hitze angepasstes bzw. angemessenes Arbeitszeitmodell, in dem auch längere Mittagspausen eine Rolle spielen können“.

In einer Beschlussvorlage der Grünen-Bundestagsfraktion heißt es unter anderem: „Kommen Arbeitgebende ihrer Verpflichtung zum Hitzeschutz nicht in angemessener Weise nach, müssen die Arbeitnehmenden ein Recht auf Hitzefrei haben. Das gebietet der Gesundheitsschutz – dieses individuelle Recht wollen wir gesetzlich verankern.“ Ab einer Raumtemperatur von 26 Grad Celsius sollten mindestens Ventilatoren aufgestellt werden. Alles, was darüber hinausgeht, müsse ebenso geregelt werden.
Ginge es nach Linken-Chef van Aken, müsste es ab 26 Grad aufwärts auch ein Recht auf Homeoffice, verkürzte Vollzeit um 25 Prozent – wer sechs Stunden arbeitet, bekommt acht Stunden angerechnet –, ein Recht auf ausreichend Wasser und Sonnenschutz sowie zehn Minuten Pause zusätzlich pro Stunde geben. Bei Temperaturen um 30 Grad: 50 Prozent weniger arbeiten, Recht auf Ventilatoren und zehn Minuten Pause pro halbe Stunde. Jan van Aken fordert, dass die Maßnahmen „bis Juli 2025 Realität werden“.
Arbeitgeber haben bei hohen Temperaturen allerdings jetzt schon bestimmte Pflichten, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen. Bei extremer Hitze sei der Arbeitgeber laut Arbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenverordnung und Fürsorgepflicht zum Handeln verpflichtet, sagen Arbeitsrechtler. Schon bei 26 Grad Raumtemperatur sollte der Arbeitgeber erste Schritte einleiten. Welche Maßnahmen dabei geeignet sind, muss er in einer sogenannten Gefährdungsbeurteilung ermitteln. Denkbar: Lüften, Jalousien schließen oder Getränke bereitstellen.
Verdi setzt auf eine Sensibilisierung der Betriebe und ArbeitgeberEs gibt also durchaus Regeln für den Umgang mit Hitzeperioden am Arbeitsplatz. Eine Umsetzung der von den Grünen und der Linkspartei gestellten Forderungen ist zum jetzigen Zeitpunkt laut Verdi auch nur bedingt möglich: „Die Frage nach der realistischen Umsetzung dieser Idee hängt maßgeblich von guten und klaren Vorgaben ab.“ In diesem Zusammenhang setzt Verdi nicht nur auf eine Sensibilisierung der Betriebe und Arbeitgeber. Insbesondere der Gesetzgeber sollte das Thema Hitze und Klimawandel grundsätzlich mitdenken.
Während die Opposition über den Höllensommer diskutiert, schweigt die Bundesregierung. Union und SPD halten sich aktuell beim Siesta-Thema raus. Unterdessen warnt der Deutsche Wetterdienst vor dem Hitzehöhepunkt am Mittwoch.
Berliner-zeitung