Diese Veranstaltung wollte Kai Wegner verhindern: Empörung über Francesca Albanese

Da ist sie wieder: Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die besetzten palästinensischen Gebiete, hat zum zweiten Mal in diesem Jahr einen Termin in Berlin – und zum zweiten Mal gibt es Ärger darum. Diesmal wird die Wissenschaftlerin wohl tatsächlich am Mittwoch an der Freien Universität Berlin auftreten können. Doch die Empörung ist groß.
Albanese, eine italienische Rechtswissenschaftlerin mit Spezialisierung auf Internationales Recht und Menschenrechte, ist als Gast bei einem Workshop anlässlich der Jahrestagung der European Society of International Law (Esil) auf dem Campus in Dahlem eingeladen, das ausschließlich angemeldetem Fachpublikum vorbehalten ist. Die 48-Jährige soll zu dem Workshop mit dem Titel „Forensische und gegenforensische Ansätze zur Rekonstruktion des Völkerrechts – Kartografie und Anatomie des Völkermords“ eine Keynote halten, also einen herausragenden Vortrag inklusive Kernbotschaft.
Die Arbeit Francesca Albaneses und ihre Thesen zum Krieg in Nahost sind umstritten. Unter anderem geht es um einen Bericht Albaneses, in dem sie die These aufstellt, dass in Gaza ein Völkermord stattfinde, welcher andauere, weil er für mehrere Unternehmen lukrativ sei. Die Uno veröffentlichte im Juni dieses Jahres den Bericht, in dem Konzerne aufgelistet werden, die Israel dabei unterstützten, Palästinenser unter Verletzung des Völkerrechts zu vertreiben. Einen Monat später verhängten die USA Sanktionen gegen Albanese. Auf der Plattform X begründete US-Außenminister Marco Rubio das unter anderem damit, dass Albanese „eine ‚Kampagne politischer und wirtschaftlicher Kriegsführung‘ gegen die Vereinigten Staaten und Israel“ führe.
Auch hierzulande hat Francesca Albanese zahlreiche Kritiker. So zeigten sich angesichts des angekündigten Besuchs das Netzwerk Jüdischer Hochschullehrender (NJH) und die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) empört. Die jüdischen Organisationen forderten am Montag in einem Offenen Brief neben einer „Annullierung“ der Keynote Albaneses auch eine Änderung des Workshop-Titels. Der Juristin und Dozentin warfen sie vor, antiisraelische Positionen zu vertreten, „die nichts mehr mit legitimer Kritik am Vorgehen der Regierung eines Staates hat“. Albanese würde „Nazi- und Schoah-Vergleiche in Bezug auf den jüdischen Staat Israel“ bemühen, das Leid der Israelis verkennen und „Theorien einer jüdischen Weltverschwörung“ verbreiten.
Kai Wegner erwartet ein „klares Zeichen der FU gegen Antisemitismus“Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) äußert sich scharf: „Die Berliner Universitäten sind Orte der Lehre und der Forschung, aber auch der Wertevermittlung. Antisemitismus, Hass und Hetze dulden wir an unseren Hochschulen nicht. Ein Auftritt der UN-Sonderberichterstatterin für die Palästinensergebiete, die in der Vergangenheit immer wieder durch Israel-Hass und Verharmlosung der Hamas-Terrororganisation aufgefallen ist, hat an einer Berliner Universität deshalb keinen Platz. Ich erwarte von der Freien Universität, dass sie ein klares Zeichen gegen Antisemitismus setzt.“
Bereits im Februar dieses Jahres war Francesca Albanese zu einer Veranstaltung an der Freien Universität eingeladen. Nach Protesten entschloss sich das FU-Präsidium damals, die Veranstaltung „aus Sicherheitsgründen“, wie es hieß, nur online zuzulassen. Die Veranstalter wichen stattdessen in Räume eines Zeitungsverlages aus.
Freie Universität: Veranstaltung mit umstrittener Gaza-Funktionärin findet stattKönnte es nun erneut dazu kommen? Am Dienstag verwies die FU auf Anfrage der Berliner Zeitung darauf, dass die Veranstaltung nicht von der Freien Universität Berlin organisiert werde. Die Einladung Albaneses zur Teilnahme im Vorprogramm der Esil-Jahreskonferenz sei durch „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ergangen, die die Tagung organisieren“.
Wie es weiter heißt, würden zu der Tagung rund 600 Teilnehmende aus rund 60 Ländern im Henry-Ford-Bau in Dahlem erwartet. Die Einladung folge „den für Fachtagungen üblichen wissenschaftlichen und prozeduralen Standards“. Und: „Die Hochschulleitung ist nicht mit einer Bewertung der Positionen der eingeladenen Personen befasst und nimmt keinen Einfluss auf den Hergang der Konferenz.“
Abschließend heißt es in der Antwort der FU: „Universitäten sind gemäß Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes dem Prinzip der Wissenschaftsfreiheit verpflichtet. Dazu gehört auch, dass Forschende eigenständig über Themen, Formate und Gäste wissenschaftlicher Veranstaltungen entscheiden können.“
Im Februar hatte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) gesagt: „Aus meiner Sicht erfüllt Frau Albanese alle Kriterien des Antisemitismus.“ Zu deren avisierten Besuch am Mittwoch antwortete die Politikerin auf Anfrage der Berliner Zeitung: „Die Senatswissenschaftsverwaltung erwartet, dass der wissenschaftliche Diskurs gewährleistet wird und die FU bei möglichen politischen Aktionen und Rechtsverstößen von Personen im Umfeld der Veranstaltung entsprechend ihres Hausrechts reagiert sowie strafbare Handlungen unterbindet und zur Anzeige bringt. Die Sicherheit der Studierenden und Mitarbeitenden muss ebenso jederzeit gewährleistet sein wie der universitäre Ablauf.“
FU Berlin: Wissenschaftliche Tagungen werden nicht mit dem Senat abgestimmtBis Redaktionsschluss dieser Ausgabe blieb offen, wie Uni-Präsident Günter M. Ziegler mit dem neuerlichen Fall Albanese umgeht. Eine wissenschaftliche Tagung auszurichten liegt im Ermessen von Forschenden, heißt es aus der Pressestelle „Es ist nicht üblich, eine solche mit der Senatsverwaltung oder -kanzlei abzustimmen.“ Das klingt nun so gar nicht nach einem „klaren Zeichen“, wie es der Regierende Bürgermeister von der Universität erwartet hätte.
Berliner-zeitung