Vatikan: Tausende beten auf dem Petersplatz für den Papst

Eine große Bühne ist aufgebaut vor dem Eingang zum Petersdom, ein Baldachin mit den LED-Strahlen in der Decke. Es wäre die perfekte Kulisse für den Papst, der hier regiert. Am Montagabend um 21 Uhr war es dann aber Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der ans Mikrofon trat und die Andacht für den schwer kranken Franziskus eröffnete, der einige Kilometer weiter nördlich im Gemelli-Krankenhaus um seine Gesundheit ringt.
Der zweite Mann im Vatikan hatte alle in Rom anwesenden Kardinäle, ferner Mitarbeiter des Vatikans und des Bistums sowie interessierte Gläubige, zu einem Rosenkranzgebet für den kranken Franziskus gerufen. Etliche Tausend Menschen waren gekommen. Von nun an soll es jeden Abend ein solches Gebet auf dem Petersplatz geben – was die Spekulationen um den Gesundheitszustand des Papstes weiter anheizt.

Seit rund zehn Tagen liegt der Papst nun schon im Krankenhaus. Ein Intensivmediziner schätzt die Situation als „prognostisch ungünstig“ ein. Dennoch gibt es auch eine positive Entwicklung.
Wie es wirklich um Franziskus steht, der vor zehn Tagen mit einer über Wochen verschleppten Bronchitis in hoher Not ins Krankenhaus eingeliefert worden ist, weiß man nicht im Detail. Die zweimal täglich herausgegebenen Bulletins der behandelnden Ärzte klingen mal bedrohlich, mal vorsichtig optimistisch. Ausdrücklich sehen sie weiter eine Lebensgefahr gegeben. Aber möglich sei eben auch die Chance zur Erholung: „Beide Türen sind offen“, hatte der Leiter des Ärzteteams Sergio Alfieri beim bisher einzigen Pressetermin am vergangenen Freitag gesagt.
Für den Montag wurde berichtet, dass sich einige Blutwerte verbessert hätten und der Papst nachmittags sogar ein wenig gearbeitet habe. Er habe auch sein früher tägliches Ritual eines Anrufs bei der katholischen Gemeinde im Gazastreifen wieder aufgenommen und sich beim dort tätigen argentinischen Pfarrer für ein Video mit Genesungswünschen bedankt. Das könnte einerseits darauf hindeuten, dass es ihm besser geht. Andererseits erwähnten die Ärzte ausdrücklich, dass der Papst am Montag keinen weiteren Asthmaanfall erlitten habe: Das klang fast so, als sei man darüber überrascht.

Nach wie vor sind wohl beide Lungenflügel entzündet, und die Rede ist von einer beginnenden Niereninsuffizienz. In Medien werden Spezialisten zitiert, die die Situation des 88-jährigen, ohnehin schwächelnden Franziskus für extrem ernst halten. Freilich sind das Ferndiagnosen von Ärzten, die den Patienten nicht gesehen haben.
Die Gerüchteküche in Rom brodelt, obendrein werden auf Journalistenaccounts Fake news aufgespielt, alle paar Tage meldet ein Onlinejournal aus angeblich hundertprozentig sicherer Quelle, dass der Papst bereits gestorben sei. Im Vatikan ist man bekümmert über so viel Pietätlosigkeit, aber auch das Verhalten in höchsten Kirchenkreisen bei der Frage nach einer möglichen Nachfolge führt zu Unmut. „Es muss Schluss sein mit den Spekulationen“, forderte am Montag der einflussreiche Kardinal Jean-Claude Hollerich aus Luxemburg, der ebenso wie Parolin selbst als papabile gilt, also als ein möglicher Nachfolger. „Es ist schrecklich, dass Priester, Bischöfe, Kardinäle und Ordensleute sich mit einem möglichen Konklave beschäftigen, während der Papst noch lebt“, sagte Hollerich in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung La Stampa, das sei „zutiefst respektlos“.
Unter den Betenden sind auch einige seiner heftigsten KritikerVielleicht auch als Reaktion darauf wurden die Kardinäle also auf den Petersplatz bestellt. Dort saßen sie in der ersten Reihe, während Kardinalstaatssekretär Parolin persönlich den Rosenkranz für den erkrankten Papst betete: eine weitverbreitete katholische Gebetsform, bei der mit einer Perlenkette in den Händen eine Abfolge aus einem Vaterunser und je zehn Ave Maria gebetet werden. Parolin vertraute den Papst „der mächtigen Fürsprache der heiligsten Maria“ an: „Möge sie, die unsere fürsorgliche Mutter ist, ihn in dieser Zeit der Krankheit und Prüfung unterstützen und ihm helfen, bald wieder gesund zu werden.“ Franziskus ist erklärtermaßen sehr marienfromm. Die Basilika Santa Maria Maggiore ist seine römische Lieblingskirche, dort – und nicht im Petersdom – will er bestattet werden.
Lang gediente Vatikanbeobachter erinnern sich daran, dass es in den letzten Tagen des todkranken Papst Johannes Paul II. auch solche Rosenkranzgebete gegeben habe, was zu der Frage führte: Weiß der Vatikan womöglich mehr über den Gesundheitszustand von Franziskus als die Öffentlichkeit? Oder es ist einfach ein Zeichen des Mitgefühls der Kurie, in der dieser Papst mehr Gegner als Anhänger hat? Immerhin saßen unter den Kardinälen auch einige seiner heftigsten Kritiker, an diesem Abend mit den Franziskus-Freunden im Gebet vereint.
süeddeutsche