Luftfahrt: MTU hadert mit US-Zöllen

Das Leben als (scheidender) Vorstandschef von MTU Aero Engines könnte so schön sein. 30 Prozent Umsatzplus in den ersten drei Monaten (auf 2,1 Milliarden Euro), 300 Millionen Euro operativer Gewinn, 38 Prozent mehr als vor einem Jahr. Lars Wagner jedenfalls hatte, was die Ergebnisse seines Unternehmens betrifft, gute Neuigkeiten zu berichten.
Doch statt sich über die guten Zahlen freuen zu können, muss sich Wagner nun damit befassen, wie er die äußerst komplizierte Logistik hinter dem Bau von Flugzeugmotoren adjustiert. Denn: „Im Markt herrscht große Unsicherheit wegen der US-Zollpolitik“, so der MTU-Chef. Weil das Unternehmen weltweit aufgestellt sei, „sind auch wir betroffen“, wenn auch in überschaubarem Maße. Wagner rechnet mit Kosten von bis zu einem hohen zweistelligen Millionenbetrag.
Die Kosten sind das Eine, die Zölle sorgen aber vor allem für enormen Planungsaufwand hinter den Kulissen. In dem komplizierten internationalen Netzwerk, in dem MTU arbeitet, geht es nun nicht mehr nur darum, die Logistik und die Prozesse industriell möglichst sinnvoll zu planen, sondern auch um solche Fragen: „In welche Länder kann man zollfrei exportieren?“
US-Präsident Donald Trump hatte für alle Importe in die USA je nach Herkunftsland Zölle in unterschiedlicher Höhe beschlossen, derzeit sind sie (mit Ausnahme von China) für drei Monate auf zehn Prozent gedeckelt. MTU liefert große Triebwerksbauteile in die USA, wo sie von Partner Pratt & Whitney in den Motoren verbaut werden. Ein Beispiel: MTU baut in einem Werk in Polen die Niederdruckturbine für das PW1100G-Triebwerk auf dem Airbus A320neo. Das Teil soll nun künftig nicht mehr in die USA geschickt werden, sondern direkt nach München, wo MTU eine eigene Endmontagelinie für die Serie betreibt. Die Zölle „treffen unsere US-Partner und -Kunden viel mehr“, so Wagner.
Das Konsortium um Pratt und MTU diskutiert nun seit Wochen, wie Logistik auch an anderer Stelle umgestellt werden könnte. Die eigene Lieferkette umzustellen, dauere allerdings drei bis fünf Jahre, es geht daher laut Wagner eher darum, im bestehenden System umzuplanen. Ein Aufbau alternativer Standorte würde sehr viel Zeit beanspruchen und hohe Kosten verursachen und sei deswegen „sehr unwahrscheinlich.“
Die Trump-Politik stelle auch nicht die Partnerschaften mit Pratt und GE Aerospace als solche in Frage. Diese stellten „starke, ununstößliche Netzwerke“ dar.
MTU profitiert derzeit weiter von der starken Nachfrage nach neuen Flugzeugen und in der Wartung der Bestandsflotte. Die US-Handelspolitik wirft allerdings auch die Frage auf, ob die Nachfrage im Luftverkehr insgesamt so stark bleibt – in den USA ist sie im Inlandsverkehr schon sehr viel schwächer geworden. Ob das Problem sich generell „auf die Nachfrage auswirkt, werden die nächsten Monate zeigen“, so Wagner. Diese wird er vermutlich auch noch bei MTU verbringen, sein Wechsel an die Spitze der Zivilflugzeugsparte von Airbus ist für Ende des Jahres geplant. Dort warten auf ihn dann allerdings ganz ähnliche Probleme.
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