Werden Stablecoins den Dollar ersetzen?

von Mario Lettieri und Paolo Raimondi * –
Das Kryptowährungsgesetz, bekannt als GENIUS Act, wurde vom US-Senat verabschiedet. Nun muss es vom Repräsentantenhaus bestätigt werden. Um den Prozess zu beschleunigen, möchte Trump es bis zum Sommer unterzeichnen. Die wenigen vorgesehenen Regeln sollen das Wachstum fördern. Stablecoins müssen vollständig durch US-Dollar oder hochliquide Vermögenswerte abgesichert sein. Letztere sind nicht spezifiziert, sodass es sich auch um spekulative Finanzderivate mit kurzer Laufzeit handeln könnte. Dies wäre gravierend, denn Glücksspiel schafft weder Sicherheit noch Stabilität. Laut dem US-Finanzministerium könnte der Stablecoin-Markt bis 2030 3,7 Billionen Dollar erreichen. Angesichts der Schwäche des Dollars und seiner zunehmenden Unfähigkeit, weiterhin Dreh- und Angelpunkt der globalen Währungsreserven und des internationalen Finanz- und Handelssystems zu sein, soll laut Forbes-Magazin bis 2030 Stablecoins im Wert von 16 Billionen Dollar geschaffen werden. Es wird behauptet, sie wären ein „radikaler neuer Konkurrent des Dollars!“. Ziel ist die Tokenisierung des Finanzwesens. Asset-Tokenisierung bezeichnet die Erstellung eines digitalen Tokens, der einen realen Vermögenswert wie Immobilien, Anleihen oder Aktien repräsentiert und dessen Verwaltung, Handel und Verkauf über die Blockchain ermöglicht. Aktien-Token würden beispielsweise außerhalb regulierter Börsen gehandelt, was letztere überflüssig machte. Um keinen Zweifel an den wahren Absichten der Regierung zu lassen, erklärte Finanzminister Scott Bessent: „Ein gesundes Stablecoin-Ökosystem wird die private Nachfrage nach Staatsanleihen erhöhen und so die Finanzierungskosten für den Staat senken.“ Er hofft, dass das neue Gesetz den Kapitalzufluss in die USA erleichtern, die Nutzung des digitalen Dollars fördern und sogar die Kosten der Staatsverschuldung senken wird. Man bedenke, dass die US-Staatsverschuldung 37 Billionen erreicht, mit jährlichen Zinssätzen von deutlich über einer Milliarde. Ein unüberschaubares „Geschäft“, selbst für Trump. Für ihn sind Stablecoins jedoch ein „exzellentes Geschäft“, da er mit seiner Familie am Projekt World Liberty Financial beteiligt ist, dem Emittenten von Trumps 1-Dollar-Stablecoin, der derzeit nach Kapitalisierung der achtgrößte der Welt ist. Das neue Gesetz regelt Interessenkonflikte so, dass Mitgliedern der Regierung und Präsidentenfamilien in jedem Fall die Möglichkeit gegeben ist, in diesem Sektor tätig zu sein. In den USA waren Interessenkonflikte zuvor ein ernstes Problem. Der Boom bei Kryptowährungen begeistert den gesamten Finanzsektor. Von Großbanken wie der Bank of America und Morgan Stanley über den Vertriebsriesen Walmarkt bis hin zum Zahlungsdienstleister PayPal springen alle auf den Krypto-Zug auf. Selbst große Technologieunternehmen wollen weiterhin ihre eigenen Kryptowährungen schaffen. Glücklicherweise sieht nicht jeder Kryptowährungen wie Trump. In Europa und auch in Italien werden große Zweifel und Bedenken hinsichtlich Stablecoins geäußert. Paolo Savona, Präsident der Consob, bezeichnete sie auf der jüngsten Jahreskonferenz der Organisation als Pinocchios Wunderhof, in dem die Illusion leichter Profite regiert. Er erinnerte daran: „Die Analogie zu den Ursachen der Finanzkrise von 2008 ist nicht zu übersehen. Sie entstand aufgrund der Verbreitung komplexer Derivate, die schwer zurückzuzahlende Kredite (Subprime) enthielten und schwerwiegende wirtschaftliche Folgen hatten und auch die Sicherheit des Staates gefährdeten.“ Auch während des Wirtschaftsfestivals in Trient Ende Mai erklärte Savona, er halte „die Legitimierung von Kryptowährungen für ein fatales Risiko. Das Risiko besteht darin, dass das Konzept des Geldes verloren geht und diese privaten Währungen öffentliches Geld ersetzen.“ Es wäre eine Rückkehr ins Mittelalter, als jeder Fürst oder Bischof seine eigene Münze prägte! Anlässlich der Veröffentlichung des Berichts 2024 der Banca d’Italia warnte Gouverneur Fabio Panetta zudem, dass Stablecoins „die Inhaber Risiken im Zusammenhang mit der Solidität der Emittenten und der Wertschwankungen des Basiswerts aussetzen“.
In Europa ist es notwendig, bei Stablecoins wachsam zu bleiben, auch wenn US-Präsident Trump sich für sie stark gemacht hat. Ihm in diesem gefährlichen Abenteuer zu folgen, würde bedeuten, sich selbst zum Untertan zu machen und in der nächsten globalen Finanzkrise den höchsten Preis zu zahlen.
* Mario Lettieri, ehemaliger Abgeordneter und Staatssekretär für Wirtschaft; Paolo Raimondi, Ökonom und Universitätsprofessor.
notiziegeopolitiche