ALEX BRUMMER: Britisches Fernsehjuwel ITV in Gefahr

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Der phänomenale Aufstieg von Streaming- und Social-Media-Plattformen wie YouTube und Netflix hat die Sehgewohnheiten in Großbritannien, den USA und auf der ganzen Welt verändert.
Es öffnete auch die Tür für Gebote und Geschäfte, da die Giganten der Film-, Rundfunk- und Kabelindustrie einander umkreisen und nach Überlebensstrategien suchen.
In dieser Welt der Milliarden-Pfund-Deals ist der britische Privatsender ITV nur noch ein unbedeutender Akteur. Warner Bros. Discovery lehnte kürzlich ein 44-Milliarden-Pfund-Angebot von David Ellisons Paramount ab.
Unter dem Druck der Investoren aufgrund des schwachen Aktienkurses suchte ITV-Chefin Carolyn McCall nach Lösungen. Eine naheliegende Antwort schien der Verkauf oder die Fusion mit der florierenden Produktionssparte des britischen Senders, ITV Studios, zu sein.
Das hat sich als schwierig erwiesen, deshalb haben McCall und Sky-Chefin Dana Strong stattdessen eine andere Idee entwickelt.
Die Zusammenführung der Unterhaltungssender, Nachrichten und des Streamingdienstes ITVX von ITV mit den Abonnementdiensten von Sky würde einen britischen Marktführer schaffen. Ein solcher Deal böte Zugang zu Netflix, Paramount und Skys umfangreichem Sportangebot. Es gibt jedoch ein Problem: Sky ist kein britisches Unternehmen – es gehört zum US-amerikanischen Mediengiganten Comcast von Brian Roberts.

Juwel in der Krone: Doch in dieser Welt der Milliarden-Pfund-Deals ist der britische Privatsender ITV nur eine Bagatelle.
Sollte es also zu einem solchen Abkommen kommen, würde ein wichtiger Teil des kreativen Großbritanniens – mit einer sieben Jahrzehnte währenden Tradition – in ausländische Hände übergehen.
Die Befehlsgewalt und Kontrolle würden faktisch nach Philadelphia verlagert. Es sei denn, clevere Investmentbanker fänden einen Weg, dem Unternehmen neben einem Hauptsitz auch ein Angebot aus London zu unterbreiten.
Roberts, Mehrheitsaktionär von Comcast, zahlte 2018 nach einer Auktion mit Rupert Murdochs 21st Century Fox einen zu hohen Preis für Sky. Seitdem hat Sky an Glanz verloren.
Die Partnerschaft mit dem Sky Atlantic-Zulieferer Home Box Office (HBO), der zu Warner gehört, ist gefährdet. Die großen Unterhaltungssendungen von ITV wie Coronation Street und Love Island sollten eigentlich eine zentrale Anlaufstelle für Verbraucherwerbung bieten, stehen aber unter ständiger Konkurrenz von Google, Amazon, YouTube und anderen.
Die regulatorischen Hürden sind hoch, doch McCall ist zuversichtlich, dass sie überwunden werden können. Ofcom würde Sky verpflichten, öffentlich-rechtliche Rundfunkverpflichtungen einzugehen, darunter detaillierte Vorgaben für regionale Programme, beispielsweise Sendezeit für walisische Nachrichten. Auch die Frage, wie die Nachrichtenredaktion von ITV mit dem 24-Stunden-Nachrichtendienst von Sky zusammengeführt werden soll, muss noch geklärt werden.
Damit die Transaktion wie geplant zustande kommt, müssten McCall und Strong zudem Sarah Cardell, die Geschäftsführerin der Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde (CMA), davon überzeugen, dass sie die Wahlmöglichkeiten für Verbraucher und Werbetreibende nicht einschränken würde. Die Parteien hoffen, dass Labours Wachstumsziel, verbunden mit der Forderung nach einer schnelleren Prüfung, ihnen zugutekommt.
Die CMA müsste davon überzeugt werden, dass es nicht ausreicht, nur den Fernsehmarkt zu betrachten, da jüngere Zuschauer und Werbetreibende das terrestrische Fernsehen zugunsten von YouTube, TikTok und anderen Plattformen verlassen.
Ein Vertrag mit ITV im Wert von 1,6 Milliarden Pfund würde Sky Zugang zu beliebten Programmen, erstklassigen Werbeflächen in Großbritannien und einem modernen, flexiblen Nachrichtensender verschaffen.
Comcast hat außerdem Goldman Sachs und Morgan Stanley beauftragt, den Kauf der riesigen Studio- und Streaming-Sparte von Warner Bros. Discovery zu prüfen. Das zeigt den wahren Schwerpunkt des Konzerns.
Die ITV-Aktionäre freuen sich über die Aussicht auf Rettung, die Aktien legten im jüngsten Handel um 16,6 Prozent zu. Es bestehen jedoch Zweifel an der langfristigen Zukunft des unabhängigen, renommierten britischen Senders, der als Ableger eines US-amerikanischen Konzerns gilt.
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