Aktien: Rüstungsaktien boomen – nur nicht in den USA
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von Sylvia Pfeifer, Clara Murray und Steff Chávez
4 Min.Eigentlich sind Aktien von Rüstungsfirmen gerade stark gefragt – nur nicht in den USA. Dort leiden die großen Rüstungskonzerne wie Lockheed Martin und General Dynamics unter den Sparmaßnahmen der Trump-Regierung
Die führenden US-Rüstungsunternehmen verpassen den weltweiten Aufschwung der Branche, nachdem Donald Trump Europa aufgefordert hat, mehr für die eigene Sicherheit auszugeben. Gleichzeitig will er den Haushalt des Pentagon kürzen.
Die Aktien der sechs größten US-Rüstungskonzerne sind seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus im Durchschnitt um vier Prozent gefallen. Währenddessen sind die Kurse der führenden europäischen Rüstungskonzerne, allen voran Rheinmetall, im gleichen Zeitraum um fast 40 Prozent gestiegen.
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Auch die südkoreanischen Rüstungsunternehmen, die von Europas Aufrüstungsbemühungen profitieren, haben sich als Gewinner erwiesen. Die Aktien von Hanwha Aerospace, dem größten Unternehmen des Landes, das von der Nachfrage aus NATO-Ländern wie Polen und Rumänien profitiert, haben um mehr als 70 Prozent zugelegt.
Die gegensätzlichen Entwicklungen bei den Aktien machen deutlich, wie Trumps Drohung, die militärische Unterstützung der USA für die Sicherheit Europas zurückzufahren, den Blick der Investoren auf die Branche verändert hat. Hinzu kommen die von Tech-Milliardär Elon Musk eingeleiteten Sparmaßnahmen in der gesamten Regierung sowie die in der vergangenen Woche erfolgte Säuberung der Führungsebene des Pentagons.
„Kahlschlag beim Regierungspersonal“Die Branche steht vor einem noch nie da gewesenen Umbruch, so Byron Callan, geschäftsführender Partner der Forschungsgruppe Capital Alpha Partners. Für den US-Sektor bestünden an mehreren Fronten Unsicherheiten, insbesondere „in Bezug auf laufende und künftige Programme, die Aussicht auf einen Kahlschlag beim Regierungspersonal und die Frage, wie andere Länder auf Veränderungen in der internationalen Politik der USA reagieren könnten“, sagt er.
Vor den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr lag die Performance des US-Verteidigungssektors hinter der von Europa und Asien zurück. Doch Trumps Sieg und sein erster Monat im Amt haben den Abstand vergrößert. Die Aktienkurse einiger US-Konzerne, die über große zivile Luft- und Raumfahrtsparten verfügen, primär Boeing und RTX, haben zugelegt.
Die Papiere des größten deutschen Rüstungsunternehmens Rheinmetall und des italienischen Konzerns Leonardo gewannen in der vergangenen Woche mehr als zehn Prozent. Der Grund dafür ist Trumps Entscheidung, Friedensgespräche mit Russland über den Ukrainekrieg aufzunehmen. Das verstärkte die Erwartung, dass Europa künftig einen größeren Teil der Lasten für seine eigene Sicherheit tragen müsse.
Die Kurse deutscher Aktien sind am Montag weiter gestiegen, da die Hoffnung auf höhere Ausgaben durch die neue Regierung unter Friedrich Merz aufkeimte, trotz einiger Bedenken, ob seine Pläne von den Parteien, die gegen die Aufrüstung der Ukraine eintreten, behindert werden könnten.
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Die US-Rüstungskonzerne gehören dagegen zu den Unternehmen, die in hohem Maße von den Ausgaben des Bundes abhängig sind. Sie müssen sich nun auf Kürzungen des jährlichen Pentagon-Budgets von 850 Mrd. Dollar einstellen. Im Haushaltsjahr 2026 will das Verteidigungsministerium acht Prozent der Ausgaben oder 50 Mrd. Dollar streichen. In den Folgejahren werden Einsparungen in ähnlicher Größenordnung erwartet.
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth traf sich vorige Woche mit Vertretern des sogenannten Department of Government Efficiency' im Pentagon und betonte, der Schwerpunkt der Einschnitte liege bei „Hauptquartieren und Überflüssigem und Spitzenposten“. Nach Einschätzung der Analysten von Barclays ist der Sektor der größte Empfänger von Bundesaufträgen, darunter Lockheed Martin, General Dynamics, RTX und Northrop Grumman, die zu den zehn größten Nutznießern der US-Regierungsausgaben gehören. Der Großteil der Kürzungen wird wohl zivile Gehälter, Wartungsdienste, Schulung und Ausbildung betreffen, doch nach Ansicht der Analysten ist es unwahrscheinlich, dass die großen Auftragnehmer der Branche gänzlich verschont bleiben.
Palantir profitiert von der neuen LinieDer größte Teil des US-Verteidigungsbudgets für die großen staatlichen Auftragnehmer, die „Primes“, entfällt auf Beschaffung, Forschung und Entwicklung sowie Erprobung und Bewertung. Dieser Bereich macht „etwa 35 Prozent des gesamten Budgets des Verteidigungsministeriums aus und wird möglicherweise nicht ganz von den Einschnitten verschont bleiben“, so die Analysten von Morgan Stanley. Obwohl die geopolitischen Rahmenbedingungen und die Wahrscheinlichkeit, dass der Kongress Ausgaben für die nationale Sicherheit mitträgt, weiterhin günstig für den Sektor seien, sorge der von der neuen Administration eingeschlagene Weg zur Reform der Regierung für ein breites Spektrum an Unsicherheiten, fügten sie hinzu.
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Die Aussicht, dass technologieorientierte Konzerne wie Palantir und Anduril sich große Teile des Pentagon-Budgets sichern, verunsichert auch Investoren, die ihr Geld in traditionelle Rüstungsunternehmen gesteckt haben. Aktien von Palantir sind in diesem Jahr um 40 Prozent gestiegen. Peter Thiel, ein enger Vertrauter von Elon Musk und Vizepräsident JD Vance, steht bei Palantir an der Spitze des Board of Directors. Die Anleger setzten darauf, dass die engen Verbindungen zur Trump-Regierung das Geschäft mit dem US-Militär und den Spionageorganisationen ankurbeln würden.
Mehrere Führungskräfte der Rüstungsbranche bemühen sich die Auswirkungen etwaiger Kostensenkungen herunterzuspielen und betonen, dass das Land starke Investitionen in die Verteidigung braucht. Christopher Calio, Vorstandsvorsitzender der Raytheon-Muttergesellschaft RTX, räumte vor kurzem auf einer Investorenkonferenz ein, dass es „eine Menge Lärm da draußen“ gebe. Aber er sagte auch, dass es „parteiübergreifende Unterstützung für eine starke Verteidigung und eine starke industrielle Verteidigungsbasis“ gebe. Es existiere auch eine „grundsätzliche Übereinstimmung über ... das Narrativ Frieden durch Stärke und die Notwendigkeit, Macht global zu demonstrieren“.
Kurzfristig könnte es nach Einschätzung von Führungskräften und Analysten aufgrund des Wechsels in der Administration zu Verzögerungen bei der Auftragsvergabe kommen. DOGE könnte auch versuchen, die Bedingungen bestehender Verträge neu zu verhandeln, anstatt die eigentlichen Programme ins Visier zu nehmen. „Im ersten Quartal kommt es, wie so oft bei einem Regierungswechsel in den USA, zu einigen Verzögerungen bei der Auftragsvergabe“, sagte Northrop Grumman-CEO Kathy Warden Anfang des Monats. Das Unternehmen gehe davon aus, dass sich das Wachstum „im Laufe des Jahres allmählich beschleunigen wird“.
© The Financial Times Ltd. 2025
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